Tuesday, April 22, 2025

Michael Cunningham - Die Stunden

Die Stunden (The Hours) von Michael Cunningham gewann 1999 den Pulitzer Preis und wurde 2002 erfolgreich und mit namhafter Besetzung von Stephen Daldry verfilmt. Cunningham greift mutig den Stil Virginia Woolfs mit ihrem Stream of Consciousness auf, verteilt die Handlung aber auf drei Frauen in drei Zeitebenen.
Im Jahre 1923 schreibt Virginia Woolf an ihrem Roman Mrs Dalloway und erlebt einen Tag mit Höhen und Tiefen. Clarissa Vaughan bereitet sich - wie Mrs Dalloway - auf eine Party vor und kauft Blumen, es ist ein Jahr gegen Ende des 20. Jahrhundert. Die Party soll zu Ehren ihres Freundes Richard stattfinden, der einen Literaturpreis überreicht bekommen soll - Richard hat ihr vor Jahren den Spitznamen Mrs D. gegeben. 1949 ist Laura Brown, schwanger mit dem zweiten Baby, extrem gebannt von dem Roman Mrs Dalloway und von Virginia Woolf.
Abgesehen von dem Woolfs Roman verbindet die drei Ebenen auch das Thema der homosexuellen Anziehung in unterschiedlichem Maße, aber vor allem auch die Gedanken an Selbstmord. Während der von Virginia Woolf (1882-1941) nonlinear gleich an den Beginn des Romans gestellt wird, ist es außerdem Richard, der seinem von AIDS geprägten Leben ein Ende setzt, wohingegen sich Laura immer wieder diese Option als möglichen Weg erdenkt.
Cunningham hat seinen Roman geschickt gewebt, die drei Charaktere und den jeweiligen Tag, den wir mit ihnen verbringen stehen exemplarisch für Generationen von Frauen, die mit gesellschaftlichen Rollen und Normen zu kämpfen haben, und diese offen, verdeckt, gedanklich durchbrechen, um sich neue Perspektiven auf Liebe und ein freies Leben zu schaffen. Genial gemacht.  

Michael Cunningham, Die Stunden. Random House Audio 2007.

Garth Nix - Die magischen Buchhändler von London

Die magischen Buchhändler von London sind der erste Teil einer Urban Fantasy Serie von Garth Nix. Die Protagonistin Susan ist gerade 18 geworden und reist nach London, um dort ein Kunststudium zu beginnen. Außerdem will sie gern herausfinden, wer ihr Vater ist, denn ihre Mutter war diesbezüglich immer sehr geheimnisvoll. Per Zufall (oder auch nicht) wird der erste Vaterkandidat, den sie aufsucht, umgebracht und ehe sie sich versieht, befindet sie sich mit einem jungen Mann namens Merlin (ja, wirklich) auf der Flucht vor einigen sehr gruseligen Wesen, die nicht in die Welt, wie wir sie kennen, gehören. So erfährt sie von der alten Welt mit ihrer Magie und vor allem von den Buchhändlern, die in dieser Welt nach dem Rechten sehen. Je nachdem, ob sie links-, rechts- oder beidhändig sind, erfüllen sie dabei verschiedene Aufgaben. Ja, sie haben Buchläden, aber hinter den normalen Fassaden leben einige sehr skurile und exzentrische Charaktere. Schon bald wird klar, dass einige der bösartigen Wesen hinter Susan her sind, sodass angenommen werden muss, dass ihr unbekannter Vater vermutlich kein gewöhnlicher Mensch war.
Die Geschichte mag nicht sonderlich innovativ sein, aber Garth Nix schafft es parallel zum Spannungsaufbau der Story seine Charaktere Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. Neben Susan, die selbstbewusst den Herausforderungen gegenüber tritt, sind da Merlin, der sich durch Crossdressing, Impulsivität und einen schrägen Humor auszeichnet, und seine Schwester Vivian, die augenrollend so manches Mal die Situation analysiert und Auswege findet. Auch die übrige Buchhändler-Verwandtschaft wird von Maja Maneiro im Audiobook hervorragend mit ihren Eigenheiten und Akzenten umgesetzt. Die magischen Buchhändler von London ist solide Fantasyunterhaltung und hat mir Spaß gemacht. 

Garth Nix, Die magischen Buchhändler von London. Random House Audio 2022.

Monday, April 21, 2025

Brandon Sanderson - Weit über der smaragdgrünen See

Brandon Sandersons Romane erfreuen sich relativ großer Beliebtheit in der Fantasyszene, deswegen war ich nicht abgeneigt, für meine Popsugar Reading Challenge Weit über der smaragdgrünen See von ihm zu lesen. Wie häufig in dem Genre ist das Ding ein Wälzer.
Die Protagonistin Tress in Weit über der smaragdgrünen See macht sich auf die gefährliche Suche nach ihrem Geliebten Charlie, der von einer Zauberin verflucht worden ist. Sie weiß nicht genau, wie sie das anstellen will, denn allein schon ihre kleine heimatliche Insel zu verlassen, stellt ein Risiko dar. Das Meer, in dem diese Insel liegt, besteht nicht aus Wasser, sondern aus Sporen, die gefährliche Triebe ausbilden, sobald sie mit Flüssigkeit in Verbindung kommen. Sehr leicht kann man dadurch umkommen. Was dann folgt, ist eine Art Piratenabenteuergeschichte, soweit ich das zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen kann. Denn obwohl einige Dinge an dem Roman sicherlich interessant sind, werde ich nach ca. 30 Prozent nicht weiterlesen. Die Geschichte nimmt nicht so richtig an Fahrt auf, die Erzählperspektive gibt mir Rätsel auf. Offenkundig ist es ein allwissender Erzähler, der auch andere von Sandersons Romanen erzählt, aber er gibt sich mysteriös, verschweigt Dinge und deutet andere an, auf eine Art und Weise, die mich sehr anstrengt. Er versucht leicht und humorvoll zu berichten, aber dieser Humor trifft leider meinen Geschmack so gar nicht. Auch Tress als Protagonistin ist sehr spleenig und die Ratte (deren Verzauberung, sorry, so offenkundig nach dem oben erwähnten Fluch schreit) ist bisher auch kein Gewinn. Da mir noch über 300 Seiten bevorstünden, lege ich den Band jetzt einfach zur Seite und versuche es dann vielleicht ein anderes Mal mit Sanderson. 

Brandon Sanderson, Weit über der smaragdgrünen See. Piper, München 2023.


Friday, April 18, 2025

Linda Castillo - Mörderische Angst

In Mörderische Angst, dem sechsten Band von Linda Castillos Krimireihe im Amish-Country, erschrecken zunächst Drohbriefe eine Gruppe von Menschen. Schon bald ist klar, sie verbindet eine grausame Tat in ihrer Vergangenheit, als ein Raubüberfall auf eine amische Familie vor 35 Jahren schrecklich aus dem Ruder lief. Schon bald hat Kate Burkholder es mit dem ersten Toten zu tun, aber weil die damaligen Täter weiterhin schweigen, dauert es lange, bis sie die - überraschenden - Zusammenhänge aufdecken kann.
Die Lesung von Tanja Geke überzeugt, wie bereits bei den anderen Bänden. Dieser sechste Fall ist solide und Kate arbeitet sich Schritt für Schritt zur Lösung vor. Allein die Krise zwischen ihr und Tommasetti hätte es meines Erachtens nicht schon wieder gebraucht.

Linda Castillo, Mörderische Angst. Argon 2015.

Thursday, April 17, 2025

Enid Blyton - Fünf Freunde beim Wanderzirkus

Der Titel Fünf Freunde beim Wanderzirkus ist eigentlich nicht richtig, denn zwar beschert ihnen der vorbeifahrende Wanderzirkus die Idee, sich auch mit kleinen Wohnwagen aufzumachen, aber einige der Zirkusleute sind extrem unfreundlich, so dass sie kaum Zeit mit ihnen verbringen. Die Ausnahme bildet der gleichaltrige Zirkusjunge Nobby mit dem Schimpansen Pongo, der von seinem "Onkel" regelmäßig geschlagen wird und deswegen lieber Zeit mit den fünf Freunden verbringt. Natürlich sind der "Onkel" und dessen Freund Diebe und natürlich sind es die fünf Freunde, die ihnen auf die Schliche kommen. Es ist definitiv ein Band (erstmals erschienen 1946), bei dem man einige Augen zukneifen muss bei den vielen Aspekten, die in einem heutigen Kinderbuch nicht mehr in Ordnung wären. Die Kinder, die allein unterwegs sind, Anne, die mal wieder alle "Care-Arbeit" bewältigt (was auch nicht besser dadurch wird, dass sie es gern tut), die bösen Zirkusleute oder der Kindesmissbrauch, der als normal abgetan wird. Immerhin letzterer erledigt sich, weil Nobby dann bei den guten Bauersleuten untergebracht wird und nicht mehr zurück zum Zirkus muss. Trotzdem ist es immer wieder ein kleiner und willkommener Kindheitsausflug, mit den fünf Freunden auf Reisen zu gehen. 

Enid Blyton, Fünf Freunde beim Wanderzirkus, cbj 2015.

R.F. Kuang - Yellowface

Vorweg: Ich habe keinerlei Expertise in Bezug auf Rassismus gegenüber East Asians, in den USA oder anderswo. Auch den Begriff Yellowface kannte ich nicht, auch wenn er natürlich offenkundig verständlich ist.  R.F. Kuang hat mit ihrem gleichnamigen Roman eine Story erdacht, die Rassismus, den Umgang mit Diversität im positiven und negativen Sinne und vor allem die Buchbranche vielseitig, vielschichtig betrachtet.

Dabei fängt alles noch recht unkompliziert, wenn auch mit einem Paukenschlag an: Die erfolglose Schriftstellerin Juniper Hayward (weiß) stiehlt der erfolgreichen Schriftstellerin Athena Liu (chinesischer Abstammung) ihr letztes Manuskript, nachdem diese vor ihren Augen an einem Stück Pfannkuchen erstickt ist. Athenas Roman handelt von chinesischen Arbeitern während des ersten Weltkriegs und Juniper bekommt schon schnell einige unangenehme Fragen gestellt, wie sie denn ausgerechnet zu diesem Thema gekommen ist. Kurzerhand füllt ihr Verlag diese Lücken - sie verwendet einen neuen Namen, nennt sich nun Juniper Sang, und das Autorenfoto wirkt irgendwie auch --- asiatisch. Nach dem anfänglichen Bestsellererfolg folgen Plagiatsvorwürfe, Fragen nach ihrem Recht, ein chinesisches Thema aufgegriffen zu haben, und peinliche Begegnungen mit der chinesischen Community. Doch Juniper wird nicht müde, ihre moralisch zweifelhaften Entscheidungen immer wieder vor sich und der Welt zu rechtfertigen. Das geht so weit, sich schließlich selbst als Opfer eines weißen Rassismus zu sehen, weil nur noch Diversität zählt und sie sich als weiße Autorin in der Branche diskriminiert sieht. Geschickt zeigt Yellowface auf, wie selbst die vorgebliche Förderung von BIPOC-Autoren die Rassismus-Barrieren aufrecht erhält, ("nur ein asisatischer Roman pro Saison") und wie sehr die ganze Branche weniger durch literarische Qualität als vielmehr durch Popularität, Vorurteile und natürlich Marketing und Social Media getrieben ist. Natürlich ist Yellowface Satire, aber einige der Aspekte sind düster, sehr düster. Das Ende empfinde ich als frustrierend, unklar, zu offen. Obwohl die durch und durch unmoralische und unsympathische Protagonistin Juniper mit den Konsequenzen ihres Handeln leben muss, bleibt sie am Ende kämpferisch und ohne Reue, höchstens mit einer gehörigen Portion Selbstmitleid, zurück. Und die Verlags- und Medienbranche macht weiter wie bisher, ein selbsterhaltendes System. 

R.F. Kuang, Yellowface. Harper Audio 2023.

Wednesday, April 16, 2025

John Irving - Das Hotel New Hampshire

Meine erste Begegnung mit John Irvings Roman Das Hotel New Hampshire kann ich zeitlich nicht mehr verorten, ich weiß nur, dass ich die Geschichte und seine Art zu erzählen als herrlich anders und skuril im positiven Sinne empfunden habe. Mit Rufus Beck als Vorleser wird das sogar noch besser.
Den Inhalt kann man gut auf den entsprechenden Wikipedia-Seiten nachlesen. Erzählt wird die Geschichte von John, dem mittleren von fünf Kindern der Familie Berry. Es werden mehrere Hotels mit dem Namen New Hampshire gegründet, wobei keines davon ein wirtschaftlicher Erfolg ist. Bären und Hunde spielen eine wichtige Rolle. Das Thema Vergewaltigung und Gewalt im Allgemeinen, aber auch Prostitution, sind wiederkehrende Motive. Antisemitismus, Freud in Wien, Selbstmord, Terrorismus, Homosexualität, literarische Querbezüge z.B. zu The Great Gatsby - Irving hat seinen Roman mit Symbolismus und Querverweisen vollgestopft. Was zunächst grotesk erscheint, wirkt auf den zweiten nachdenklicheren Blick hin bedeutungsschwer und philosophisch. Dramatische Szenen wechseln sich ab mit unglaubhaften und lustigen Geschehnissen, es ist ein andauerndes Wechselbad von Emotionen, Dabei ist die Frage stets präsent, ob der Erzähler das noch ernst meinen kann, so surreal ist die Handlung manchmal. Vor diesem manchmal abstrusen Hintergrund sind die Charaktere in ihrer Diversität allesamt spannend und liebenswert. Nicht für alle geht die Geschichte gut aus, aber es ist vor allem das System der Familie Berry und ihre Liebe füreinander, das Das Hotel New Hampshire zu so einem besonderen Leseerlebnis werden lässt. 

John Irving, Das Hotel New Hampshire. Random House Audio 2012.

Saturday, April 12, 2025

Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones and the Six

Daisy Jones & the Six besteht aus den fiktiven Interviews mit Personen in und rund um die fiktive Band The Six und der fiktiven Sängerin Daisy Jones, durch die die Band erst richtig berühmt wird. Taylor Jenkins Reid setzt die Geschichte der Musiker durch teils sehr kurze Bemerkungen und Kommentare zusammen, man muss aufmerksam bleiben, wer gerade "spricht". Fiktive Authentizität erreicht sie dadurch, dass sich die Aussagen teilweise in Details widersprechen durch die unterschiedliche Wahrnehmung der einzelnen Personen, insgesamt wird die Geschichte aber chronologisch erzählt. Es geht um Musik, um Songwriting, viel um übermäßigen Drogenkonsum und um die Beziehungen der Bandmitglieder untereinander. Zeitlich spielt die Story in den 60er und 70er Jahren und der Vibe der Zeit wird fühlbar.
Um es kurz zu machen: Mir hat die Story Spaß gemacht, nicht unbedingt wegen des ungewöhnlichen Erzählformats, aber wegen der "Musik" und der Atmosphäre, die durch die Zeilen dringt. Natürlich hat der Roman einige Längen und den Mini-Twist am Ende, wer denn eigentlich diese Interviews führt, hätte ich nicht gebraucht. Egal. Nun höre ich mir noch einmal "Rumours" an...

Taylor Jenkins Reid, Daisy Jones & the Six. Ullstein, Berlin 2020.

Friday, April 11, 2025

Linda Castillo - Kate Burkholder series

Im verschlafenen Painters Mill, einer Kleinstadt in Ohio, leben die Amish and “English” meistens friedlich miteinander. Vor langer Zeit entkam die junge Amische Kate Burkholder nur knapp einem Serienkiller. Doch die Ereignisse brachten sie dazu, sich von der amischen Gemeinde zu trennen und eine Polizeikarriere einzuschlagen. Aber sie kehrte zurück nach Painters Mill und ist nun Chief of Police.   

#01 Die Zahlen der Toten (Original: Sworn to Silence, 2009)

#02 Blutige Stille (Original: Pray for Silence, 2010)

#03 Wenn die Nacht verstummt (Original: Breaking Silence, 2011)

#04 Tödliche Wut (Original: Gone Missing, 2012)

#05 Teuflisches Spiel (Original: Her Last Breath, 2013)

#06 Mörderische Angst (Original: The Dead Will Tell, 2014)

#07 Grausame Nacht (Original: After the Storm, 2015)

#08 Böse Seelen (Original: Among the Wicked, 2016)

#09 Ewige Schuld (Original: Down a Dark Road, 2017)

#10 Brennendes Grab (Original: A Gathering of Secrets, 2018)

#11 Quälender Hass (Original: Shamed, 2019)

#12 Dein ist die Lüge (Original: Outsider, 2020)

#13 Blinde Furcht (Original: Fallen, 2021)

#14 Saat der Sünde (Original: The Hidden One, 2022)

#15 Zorniges Herz (Original: An Evil Heart, 2023)

#16 Aschetod (Original: The Burning, 2024)

#17 (Original: Rage, expected 2025)

Saturday, April 05, 2025

Toni Morrison - Gott, hilf dem Kind

Gott, hilf dem Kind ist der elfte und letzte Roman von Toni Morrison. Sehr blaue Augen und Menschenkind konnten mich begeistern, bei diesem Roman bleibe ich etwas ratlos zurück. Ich habe lange an dem Audiobook herumgehört, lange Pausen gemacht und bin nicht so richtig warm geworden damit. Die wechselnden Erzählperspektiven gefielen mir nicht so recht, zumal mir bei einigen unklar blieb, was sie beizutragen hatten. Oft schien mir die Geschichte gespickt mit bedeutungsschweren Andeutungen und Querverbindungen, Metaphern, die ich nicht ganz zu entschlüsseln in der Lage war. Ich hatte am Ende das Gefühl, mir sei etwas Entscheidendes entgangen und das stimmt vermutlich. Das Leben der Protagonistin Bride (eigentlich Lula Ann Bridewell) ist eine krasse Achterbahnfahrt, ungeliebt in der Kindheit, weil sie für die farbige Mutter "zu schwarz" ist, aber dann erfolgreich in der Kosmetikbranche. Es folgt ein ebenso unglücklicher wie fragwürdiger Versöhnungsversuch mit einer Strafgefangenen, an deren Verurteilung Bride als Kind beteiligt war, und der so fehlschlägt, dass Bride wegen ihrer Verletzungen nicht arbeiten kann. Der undurchsichtige Freund hat sie unschön verlassen, aber sie macht sich dennoch auf den Weg, ihn zu finden. Auf dem Weg hat sie Unfälle und einige zufällige Begegnungen mit Menschen, die sie beeindrucken. Das alles wirkt nur lose aneinander gereiht, hat aber natürlich Verknüpfungen - für mich fehlte der rote Faden. Ein Thema, was immer wieder auftaucht, ist Kindesmissbrauch in verschiedenen Fällen mit unterschiedlichen Täter:innen. Dabei werden diese nicht offen gelegt, im oben bereits erwähnten Fall sogar Unschuldige verhaftet. Es gibt Zeug:innen und Mitwisser:innen, aber keine Strafen. Das ist bedrückend, um es vorsichtig auszudrücken.
Gott, hilf dem Kind würde ich definitiv nicht an Erstleser:innen von Toni Morrison empfehlen, für mich blieb es hinter den oben genannten Romanen deutlich zurück.

Toni Morrison, Gott, hilf dem Kind. Argon 2017.

Saturday, March 29, 2025

Ali Standish - Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente

Man denke an Sherlock Holmes - den berühmtesten Detektiv aller Zeiten. Und an seinen Autor, Arthur Conan Doyle. Und dann drehe man das ganze wie in einer Sanduhr einmal auf den Kopf. Dann wird Arthur Conan Doyle plötzlich zum Protagonisten einer Geschichte, in die ihn Sherlock Holmes gebracht hat!
So oder so ähnlich hat sich das der Autor von Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente, Ali Standish, ausgedacht.
Arthur lebt, wie auch sein tatsächliches Original, in einer großen, aber armen Familie in Edinburgh und bekommt, unverhofft, die Chance, auf ein Internat zu gehen. Spätestens hier trennen sich Original und Fantastisches, denn Baskerville Hall birgt zahlreiche Geheimnisse. Es gibt interessante Mitschülerinnen und Mitschüler mit mehr oder weniger skurillen Gewohnheiten und Eigenschaften. Die Erstklässler sind in einem Turm untergebracht, man isst in einem riesigen Speisesaal, wo die einzelnen Zirkel, in die sich die Schülerschaft aufteilt, zusammensitzen. Auch die Lehrkräfte könnten besonderer nicht sein. Viele der Charaktere, Kinder und Erwachsene, tragen Namen aus den Romanen von Conan Doyle. Arthur und seine Freunde bekommen überraschend das Angebot, in einen elitären Kreis von Schülerinnen und Schülern aufgenommen zu werden - dem Kleeblatt. Dafür müssen sie aber einige Prüfungen absolvieren, die nicht ganz ungefährlich scheinen. Offensichtlich verfolgt das Kleeblatt außerdem eigene, verborgene Ziele. Und dann ist da noch die mysteriöse Professorin Grey und ein grüner Ritter, von einem ganz besonderen Ei mal ganz abgesehen...
Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente ist für sich gesehen ein ganz ordentlich gelungenes, fantastisches Abenteuerbuch mit interessanten Charakteren. Die Idee von einem jungen Arthur Conan Doyle, der mit seinen besonderen Fähigkeit auch eine besondere Ausbildung an einem besonderen Ort erhält, gefällt mir. Das Setting und auch der Plot erinnern allerdings an so arg vielen Stellen an die Reihe um den mit der Blitznarbe gezeichneten Jungzauberer, dass es fast weh tut. Schade ist, dass außer dem Namedropping der Holmes/Doyle-Bezug zu kurz kommt. Wird im Einstieg zum Roman die Hauptfigur als clever, stark im Kombinieren und einfallsreich präsentiert, so ist davon im Internat selbst kaum etwas zu merken. Er kommt zwar hinter die Zusammenhänge, aber es scheint nicht so, als wäre er diesbezüglich schneller oder besser als seine Mitschüler und Mitschülerinnen.
Vielleicht sehe ich das zu kritisch - der Roman hat durchaus Unterhaltungswert, die Geschichte ist gut erzählt und die Charaktere machen Spaß - nur neu ist das alles eben nicht. 

Ali Standish, Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente. Hanser 2025.

Sunday, March 23, 2025

Richard Bach - Die Möwe Jonathan

Richard Bachs Die Möwe Jonathan wird als Klassiker der spirituellen Literatur  betitelt und oft in einem Atemzug wie Der kleine Prinz von Saint Exupery genannt. Es erschien ganz unauffällig, fast ohne Marketing im Jahr 1970 und wurde quasi durch Mund zu Mund Propaganda bis 1972 zu einem Bestseller. Persönliche, absurde Notiz: Als ich es in der Bibliothek ausleihen wollte, bekam ich eine Fehlermeldung des Scanners. Die nette Bibliothekarin bedankte sich bei mir, dass ich es im Regal wiedergefunden hatte, es war als "verschollen" markiert gewesen. Bücher tauchen auf und verschwinden wieder... Dies ist jedenfalls eine wunderschöne Hardcoverausgabe mit den Möwen-Fotografien von Russel Munson, teilweise auf Vellumpapier gedruckt.
Ich vermute, dass es für Geschichten wie diese bestimmte Alterszeitfenster oder Lebenszeitpunkte gibt. Ich fand Jonathans Streben nach Flugkünsten, Freiheit und Selbstverwirklichung schön erzählt. Es ist eine ansprechende Idee, dass er seine Erkenntnisse als Lehrmeister weitergeben will und damit zu einer Möwenfreiheitsbewegung beiträgt. Die philosophischen Gedanken haben mich aber nur leicht bewegt, wenngleich ich die Allegorie des Fliegens sehr treffend finde für das Suchen nach Freiheit. Dieses Buch kam also vielleicht nicht zum richtigen Zeitpunkt für mich, aber es ist - Ausgabe und Inhalt - ein schönes Buch. 

Richard Bach, Die Möwe Jonathan. Ullstein 2003.